Heisenberg von simon Stephens

Zwei ungleiche, einsame, zu Beginn noch unscharfe Menschen am Londoner Bahnhof St. Pancras. Georgie küsst Alex am Bahnsteig unvermittelt in den Nacken und verwickelt ihn in ein seltsames Gespräch.

»Wenn man etwas intensiv genug beobachtet, begreift man, dass man unmöglich sagen kann,
wohin es sich bewegt und wie schnell es dorthin gelangt«, zitiert die 42-jährige aus New Jersey stammende Georgie Erkenntnisse der Quantenphysik, spricht aber eigentlich über das Untertauchen ihres Sohnes und ist sich sicher, dass sie ihn zu viel beobachtet habe. Der erste Mann, den sie nach diesem unbewältigtem Verlust kennenlernt und der sie nicht an den Geflohenen erinnert, sei Alex, ein seit nahezu jeher alleine lebender, 75-jähriger, erstaunlich feinsinniger Metzger. Außer, dass sie in London leben, verbindet die beiden nichts.
Georgie beginnt, ständig neue Versionen ihrer Identität für ihn zu entwerfen. Ist sie eine Betrügerin, die nur an Alex’ Geld interessiert ist? Ist sie eine gefährliche Stalkerin? Welche ihrer Erzählungen stimmt? Wie hat sich Alex, der keine andere Seele mehr an sich rankommen lässt, in seinem Kokon aus Arbeit, musikalischem Spezialistentum und Spaziergängen verfangen? Existiert die Musik nicht in den Noten, sondern in den Räumen dazwischen, wie er sagt? Welche Rolle spielt der Zufall im Leben zweier Gestrandeter? Wie viel trägt die bloße Anwesenheit des anderen dazu bei, dass eine Entscheidung ganz anders gefällt wird als ursprünglich geplant? Unschärfen und Schärfen changieren zusehends.

Der gefeierte britische Dramatiker Simon Stephens lässt in seinem aktuellen Stück den unwahrscheinlichen Fall eintreten, dass sich zwei äußert gegensätzliche »Elemente« begegnen und gegenseitig in Schwingungen versetzen. Unter der nie aussetzenden Beobachtung des anderen verändern sich die beiden ständig und ihre (Lebens-)Geschichten nehmen so unvorhersehbare wie einschneidende Wendungen. Der ganze Text ist ein ausgeklügeltes Reiz-
Reaktions-Spiel, in dem jeder wie ein Schachspieler die nächsten Schritte des anderen vorwegnehmen will, manipuliert und manipuliert wird. Er spürt jenen fast übersehbar winzigen Momenten nach, in denen Liebe entsteht. Wenn man sie denn entstehen lässt, wenn man bereit ist, sich von dieser Magie, diesem Nicht-Erklärbaren überwältigen zu lassen.

Der Kern einer Sache, eines Menschen, eines Gefühls lässt sich niemals mit absoluter Sicherheit orten, definieren oder festzurren. Das ist eine der wesentlichen Leeren der Unschärferelation des deutschen Physikers Heisenberg von 1927. Er hat damit die Welt der Physik und im Prinzip die Bedingungen aller Betrachtungen und Untersuchungen von Dingen auf den Kopf gestellt.

Simon Stephens, der Autor von »Motortown« und »Punk Rock«, der Beckett und Tschechow seine unerreichbaren Vorbilder nennt, erforscht diese Theorie spielerisch, humorvoll und mit fein gearbeiteten Dialogen an einem herzzerreißenden Paar.

Regie: Benjamin Hille / Ausstattung: Leonie Mohr, Hannes Hartmann / Spiel: Lisa Wildmann, Stefan Viering

Veranstaltungsort und Adresse

Studio Theater Stuttgart, Hohenheimer Str. 44, 70184 Stuttgart

    Mai 2018 - Juni 2018

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Diese Veranstaltung in Stuttgart (Stuttgart-Mitte) wurde von Studio Theater Stuttgart veröffentlicht. Heisenberg von simon Stephens ist den Rubriken Theater und Schauspiel zugeordnet.

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