"Préludes" Evangelium ohne Worte - Konstanz - "Préludes" Christuskirche Sankt Konrad Konstanz

Johann Sebastian Bachs Cello-Suiten sind für jeden Cellisten ein Heiligtum und ein Wunder. Die Préludes dieser Tanzsuiten regen mit ihrem improvisatorischen Erzählstil und ihrer enormen emotionalen Tiefe zum Nachdenken und Träumen an. Erzählen sie zusammen nicht vielleicht eine große Geschichte? Hat der tief religiöse Bach mit ihnen sogar insgeheim die größte Geschichte überhaupt erzählt? Die Lebensgeschichte Jesu?

Bachs Musik wirkt, ob geistlich oder weltlich, immer höchst spirituell. Dies ist keineswegs ein Zufall. Bekannt ist Bachs Beschäftigung mit Zahlensymbolik und der Kabballah. Ein Schaffen von Musik mehreren Ebenen, wobei Bach seine Musik ganz bewusst, auf die ein oder andere Art, spirituell aufgeladen hat. Dies gilt in besonderer Weise für die weltliche Musik, der die Ebene des Glaubens vermeintlich zu fehlen scheint.

Doch sprechen wir bei Bach nicht über Programmmusik. Bach, als Komponist des Barock, arbeitete mit Affekten. Sie drücken Gemütsbewegungen wie Freude, Trauer oder Schmerz musikalisch aus und rufen eben diese beim Hörer wieder hervor. Gefühle, die absolut und übertragbar sind. Bach hat zudem, wie fast alle seiner komponierenden Zeitgenossen, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Vorlagen anderer Meister zu bearbeiten sowie eigene ältere Werke in revidierter Form erneut heranzuziehen. Grund hierfür ist auch die reizvolle Möglichkeit, einmalige Gelegenheitswerke (etwa für Hochzeiten oder Beerdigungen) durch Aufnahme in einen anderen Darbietungskontext dauerhaft zu bewahren und damit – in einer Zeit ohne Gesamtausgaben und Tonaufnahmen - geniale Ideen und Entwürfe nicht ungenutzt liegen zu lassen. Hinter manchem Zitat verbarg sich überdies eine nur für Eingeweihte erkennbare Reverenz an musikalische Lehrer und Vorbilder. In unserem Kontext aber am wichtigsten: Bach konnte mit Zitaten aus seiner sakralen Musik seine weltliche spirituell „sättigen“ und ihr weitere nonverbale Ebene verleihen.

An diesem Punkt setzt unser Préludes-Programm an, in welchem die sechs Präludien der Cellosuiten Bachs im Zentrum stehen. Auch dies auf verschiedenen Ebenen. Musikalisch, indem wir Bachs Suiten als Fixpunkt, Zentrum aber auch Anfang aller weiteren Beschäftigung mit der Thematik begreifen. Die Zusammenstellung der Werke bleibt eben nicht bei Bach stehen, sondern findet ausgehend von ihm seinen Weg in die Moderne. Zu Ioannis Papadoloulos, der sich in seinen zwei, eigens für diesen Abend komponierten, Préludes von der inhaltlichen Ausrichtung des Abends hat leiten lassen; zum Solisten des Abends – Johannes Raab - der in seinem Prélude, ähnlich wie Ioannis Papadopoulos, ebenfalls einen wichtigen Punkt aus dem Leben Jesu vertont hat, und schließlich zu Peteris Vasks, einem der spirituellsten, gläubigsten Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts, der der Seele der Menschen durch seine Musik „Nahrung“ geben wollte. Auf einer zweiten Ebene findet die Musik neue Verbindung zur Sprache. Den unterschiedlichen Werken werden verschiedene Textebenen zugeordnet: Worte des Neuen Testaments in der Luther-Übersetzung ebenso wie die Beschäftigung mit den Evangelien von Walter Jens und zeitgenössische Literatur.

Doch welche „Geschichte“ wird hier überhaupt erzählt? Wenn man von keinem konkreten Programm ausgeht, aber von universellen Affekten, die das menschliche Leben geistig und emotional prägen?

»Mit aller Musik soll Gott geehrt und die Menschen erfreut werden. Wenn man Gott mit seiner Musik nicht ehrt, ist die Musik nur ein teuflischer Lärm und Krach.«, so Johann Sebastian Bach über seine Vorstellung der eigenen Kunst und ihrer Bedeutung. Aussage eines zutiefst religiösen Künstlers und Menschen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass Bach größtenteils geistliche Musik schrieb. Doch schuf er auch weltliche Werke, darunter die sechs Suiten für Violoncello, die zum zeitlos Schönsten gehören, was jemals für dieses Instrument geschrieben wurde. Ein Widerspruch gegen seine eigene Überzeugung?

Selbstverständlich sind die Suiten für Violoncello erstmal eine Reihe von Tanzsätzen und nichts Göttliches wäre in ihnen zu finden, außer Bachs Genie selbst. Bei näherem Hinhören und Hineinfühlen in die Suiten fühlt man aber: hier könnte mehr im Spiel sein, eine tiefere Bedeutung existieren.
Der britische Cellist Steven Isserlis schreibt. »Ohne die Reinheit der Musik und deren Qualität unterminieren zu wollen, habe ich von jeher instinktiv das Gefühl gehabt, dass sich hinter den Suiten eine Geschichte verbirgt.«

Das Präludium an sich ist ein formfreies und improvisierendes Vorspiel, welches in einen Choral hineinführen oder einen Gottesdienst eröffnen soll. Ein Hinweis? Nimmt man sich die sechs Präludien allein vor, spielt sich vor dem geistigen Auge des Hörers ganz automatisch eine Geschichte ab. Mit dem Wissen um Bachs tiefe Religiosität und seiner Ansicht, dass Musik nur zum Lobe Gottes gemacht werden sollte, lässt sich ferner erraten, wessen Geschichte wir hier in Musik erleben. Frappierend auch, wie klar Bach mit Hilfe der Tonarten, die er wie einen Code benutzt, die Geschichte zeichnet. Und so bilden diese sechs Musikstücke quasi ein kleines verstecktes Evangelium ohne Worte für Violoncello.

Und doch: »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.« So lesen wir zu Beginn des Johannes-Evangeliums. Auch wenn Bach uns in seinen Cellosuiten einen Zugang zur Lebensgeschichte Jesu ganz ohne Worte, nur durch Musik und das durch sie ausgelöste Fühlen ermöglicht, soll das Wort nicht zu kurz kommen. In einer Zeit, in der immer weniger Wert auf die Bedeutung von Sprache, von Wörtern gelegt wird, ein Vorgang der Reflexion, der Grundlagen unserer Kommunikation und damit unserer Gesellschaft. Martin Luther hat die Texte der Bibel für jeden Leser zugänglich gemacht und damit auch dem Laien ermöglicht, sich ganz persönlich mit den Worten Gottes zu befassen, in ihnen einen Sinn für das eigene Leben zu suchen. Eine Chance zum Denken, Reflektieren, Hinterfragen aber auch Hadern, welche wir heute allzu gern vergeben. Der Abend soll daher aus mehreren Richtungen – Musik und Wort, Musik und Religion, Vergangenheit und Jetzt – genau diesen Raum des Nachdenkens und Innehaltens eröffnen.

Veranstaltungsort und Adresse

Christuskirche Sankt Konrad Konstanz, Münsterpl. 8, 78462 Konstanz

    Tickets für 20. Oktober 2018

  • Sa
    20.10.2018
    19:30
    Tickets

"Préludes" Evangelium ohne Worte - Konstanz - "Préludes" Christuskirche Sankt Konrad Konstanz

Diese Veranstaltung in Konstanz (Altstadt) wurde von venyoobot veröffentlicht. "Préludes" Evangelium ohne Worte - Konstanz - "Préludes" Christuskirche Sankt Konrad Konstanz ist den Rubriken Klassisches Konzert und Johannes Raab (Violoncello) & Insa Pijanka (Lesung) zugeordnet.

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