Michael Sens - Opus 1

Sehen Sie, was Sie da hören!
Eine kleine, großartige Einführung in die Musik: Klavierkabarett mit Michael Sens

Abini Zöllner
Um Gottes Willen! Jetzt auch noch der Sens! Es gibt so viel Kultur, und wir haben nur so wenig Zeit. Und da will ein Klavierkabarettist für sein Stück erwärmen? Aus der Redaktion kam zunächst eine kühle Absage. Daraus arrangierte der Empfänger jedoch einen heiteren Mailverkehr. So vergnüglich, dass eine Fahrt nach Potsdam klären sollte: Wer ist dieser lustige Mann?Michael Sens ist der Sohn des gefürchteten Zwölfton-Musikers Egon Sens. Geboren in Berlin-Lichtenberg, aufgewachsen in Frankfurt (Oder). Sagt er. Doch dieser Sens hat so viel Fingerspitzengefühl und spricht ein solch misstrauisch machendes Hochdeutsch. Stimmt seine Biografie überhaupt?Nun, der Michael hat fünf Jahre Klavier studiert und dann vier Jahre Gesang. Er war zehn Jahre lang mit Musicals unterwegs und Mitglied eines Pantomimenensembles. Jetzt steht er als Solist auf der Bühne, spielt Violine und Klavier, den Musikroboter und den Klangkabarettisten. Ist ein fähiger Typ- Imitator, Bewegungskünstler, Geräuschemacher - und ein meisterhafter Erzähler amouröser Phantasien. Und wenn das nicht untertrieben ist, ist es mindestens wahr.Er hat ein ausgeprägtes Blockflöten-Trauma und noch andere musikalische Erschütterungen erlebt: Deshalb beginnt sein Programm "Opus 1" erstmal mit dem traurigen Blues vom Jazz. Von dort aus tastet er sich an Bach, Brecht und Becher ran, begleitet Mozart und Chopin, hämmert auf Wagner und Weill ein. Als Multitasking-Talent liefert er die genialste Fußballmusikreportage, die je ein Ohr erreicht hat. Er entlarvt die 08/15-Machart der gewöhnlichen Filmmusiken, wechselt dann beherzt ins Musicalfach, besingt die East Side Story aus der Uckermark - und vergisst bei all dem nicht die Jamba-Klingeltöne. Hat man solch ein gewagtes Experiment schon erlebt? Ja! War es jemals so gelungen? Nein! Sehen Sie selbst, wie gut es ist, was Sie da hören!Beim Crossover haut er pathetisch in die Tasten, wirft seinen Kopf schicksalhaft zurück - das alles klingt hochdramatisch. Aber es ist urkomisch. Die Pointen sitzen wie die Noten auf der Partitur. Kein Zweifel: Das ist Deutschlands bester Musikunterricht.Michael Sens ist gescheit wie Eckart von Hirschhausen und charmant wie Dieter Nuhr. Wenn so einer sich absichtsvoll jungen Damen zuwendet, will man kaum glauben, dass dies im Desaster endet. Am wenigstens er selbst. Er liebt sich. Und das Publikum ihn auch. Beifall, fortissimo natürlich. Herrlich war's. Und endlich wissen wir, warum Nachtigallen so viel Zeit haben.Gott sei Dank waren wir beim Sens!