Bach und Frankreich

Musik von J. S. Bach, G. Ph. Telemann, J. Morel und J. M. Leclair

mit Martina Vögele Flauto traverso, Ekkehard Weber Viola da gamba und Martin Müller Cembalo


Ganz so einfach wie heute in Zeiten von World Wide Web und E-Mail war der Erfahrungs- und Gedankenaustausch im Barock natürlich nicht; gleichwohl war das gegenseitige Interesse an stilistischen Entwicklungen des Auslands unter Künstlern in der Regel recht groß. Einzig Italien scheint mehr am Export als am Import interessiert gewesen zu sein. Frankreich integrierte den italienischen Stil nach erbitterten Auseinandersetzungen um die Überlegenheit der beiden Nationalstile letztlich in den von Couperin kreierten „Goût réuni“, den „vereinten“ Geschmack.

Und Deutschland reklamierte das für sich unter dem Namen „vermischter Geschmack“ als deutsche Erfindung:
J.J. Quantz §. 87. Wenn man aus verschiedener Völker ihrem Geschmacke in der Musik, mit gehöriger Beurtheilung, das Beste zu wählen weis: so fließt daraus ein vermischter Geschmack, welchen man, ohne die Gränzen der Bescheidenheit zu überschreiten, nunmehr sehr wohl: den deutschen Geschmack nennen könnte: nicht allein weil die Deutschen zuerst darauf gefallen sind, sondern auch, weil er schon seit vielen Jahren, an unterschiedenen Orten Deutschlandes, eingeführet worden ist, und noch blühet, auch weder in Italien, noch in Frankreich, noch in andern Ländern misfällt.

Vorausgegangen war natürlich ein reger Austausch von Noten, Spielern und Komponisten quer durch Europa, allerdings nicht in jeder Richtung ganz ausgewogen - wie oben erwähnt. Vornehmlich die Deutschen waren vielfach unterwegs in Italien und Frankreich, um sich weiter zu bilden und die dortigen Strömungen sich anzueignen. Keinesfalls gefiel alles Fremde, es galt in der Tat, das Beste zu wählen.

Unter den Reisefreudigen war Telemann, der im Herbst 1737 Paris besuchte auf Einladung seiner dortigen Kollegen Forqueray, Blavet und Guignon, mit ihnen musizierte und sich als erster deutscher Komponist bei den „Concerts spirituels“ präsentieren durfte. Frucht dieser Reise war nicht zuletzt Telemanns internationaler Ruhm, wirtschaftlich sichtbar in einem 20jährigen Druckprivileg des Königs.

Entschieden sesshaft war hingegen Johann Sebastian Bach, der den Raum der ehemaligen SBZ nie verlassen hat und dennoch am kulturellen Austausch beteiligt war - kommt der Prophet nicht zum Berg, muss der Berg zum Propheten kommen. Ganz so leicht erkennbar wie bei Telemann ist bei ihm die Assimilation des Fremden allerdings nicht, gerade dort nicht, wo der Titel es vermuten ließe: Französische Suiten, Englische Suiten - Titel, an denen Bach wohl eher keinen Anteil hat.

War die Viola da gamba nicht nur ein weithin geschätztes Generalbassinstrument, prominentes Soloinstrument des Barock und beliebter Triopartner für die Flöte oder die Violine, so spielt sie im Bach’schen Schaffen doch fast gar keine Rolle. Triosonaten mit Viola da gamba hat er schon gar nicht hinterlassen, die Gambensonaten sind sozusagen Recycling-Material. Die Triosonate für zwei Traversflöten und Basso continuo (BWV 1039) hat er selbst zur Triosonate für Viola da gamba und obligates Cembalo (BWV 1027) umgearbeitet, indem er eine der Flötenstimmen der Gambe zuwies. Was also läge näher, als eine Kombination der ursprünglichen Triosonate mit der Gambensonate zu versuchen? Offen bleibt nur die Frage, warum Bach nicht selbst drauf gekommen war …
Ein gleiches Schicksal lassen wir die Triosonate für Flöte, Violine und Basso continuo (BWV 1038) ereilen, hier übernimmt die Gambe die Violinstimme in der tiefen Oktave, ganz so, wie es Bach in der erwähnten Gambensonate quasi als Modell entwickelt. Die Autorschaft Bachs an diesem Stück ist nicht unumstritten.

Sozusagen O-Ton des Komponisten ist die Zwiesprache zwischen Flöte und Gambe jedoch in den beiden französischen Beiträgen unseres Programms. Leclair, seines Zeichens Tänzer und Ballettmeister in Lyon und Turin, gleichzeitig offenbar virtuoser Geiger, kannte die Gambe von seinem Vater Antoine. Die Flöte mag ihm durch die Begegnung mit Quantz in Turin nahe gekommen sein. Jedenfalls ist ihm eine ausnehmend charmante Triosonate für diese Kombination gelungen. Jacques Morel, Schüler von Marin Marais, war schon bereits so weit Kind seiner Zeit und ihres Geschmacks, dass er sich von den ursprünglichen Tugenden französischer Gambenmusik verabschiedet und mit Blick auf ein erhofftes breiteres Publikum Kompromisse eingeht:
Ich habe mich bemüht, meine Stücke so wenig wie möglich mit Akkorden zu überladen, denn es ist mir lieber, mich auf die Melodie zu beschränken als sie schwierig zu machen. Um aber diejenigen zufriedenzustellen, die die Harmonie mögen, habe ich einige davon hineingetan, die voller als die anderen sind.

Veranstaltungsort und Adresse

Kapelle St. Michael, Karlstaße 39, 79104 Freiburg

    16. Juni 2013

  • So
    16.06.2013
    20:00

Bach und Frankreich

Diese Veranstaltung in Freiburg (Mitte) wurde von lagamba veröffentlicht. Bach und Frankreich ist den Rubriken Konzert und Klassikkonzert zugeordnet.

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